Das katholische Priestertum

Durch den Charakter des Weihesakraments, welcher seiner Seele im Augenblick der Weihe eingeprägt wird, hat der Priester Anteil am Priestertum unseres Herrn Jesus Christus. Er hat sozusagen Anteil an der Gnade der hypostatischen Union[1], welche die menschliche Natur Jesu mit der göttlichen Person des Wortes vereint, die sie in der Fleischwerdung annimmt.

Infolgedessen ist der Priester, wie Christus, zum Mittler zwischen Gott und den Menschen eingesetzt: er bildet eine Brücke zwischen dem zu versöhnenden Gott und den Menschen, die der Versöhnung bedürfen. Er ist der Brückenbauer, lateinisch „pontifex“. Nach der Lehre des hl. Paulus: „Denn jeder aus den Menschen genommene Hohepriester“, sagt der Apostel, „wird für Menschen bestellt in ihren Anliegen vor Gott, damit er Gaben und Opfer darbringe für die Sünden“ (Heb. 5, 1), vor allem das Opfer überhaupt, die Heilige Messe.

Sacerdos alter Christus

Im Gegenzug lässt der Priester die Barmherzigkeit  und die Gnade Gottes auf die Menschen herabfließen: der Priester, lateinisch „sacerdos“, bedeutet „sacra dans“, er gibt den Menschen die heiligen Dinge. Er ist der Priester des Priesters Christus in der Spendung der Gnade der Erlösung. Der hl. Paulus sagt das so: „So halte man uns für die Gehilfen Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor. 4, 1). Insgesamt gesehen ist der Priester ein zweiter Christus: „sacerdos alter Christus“.

Der Priester wird auch „Mann Gottes“ genannt (1 Tim. 6, 11; 2 Tim. 3, 17). Durch seinen priesterlichen Charakter wie auch durch seine geheiligte Tätigkeit unterscheidet er sich von den einfachen Getauften, nicht durch einen graduellen Unterschied, sondern wesensmäßig.

 


 

 

„Wenn nämlich der Priester ein 'zweiter Christus' genannt wird und es auf Grund der Teilnahme an dessen Gewalt auch ist, muss er dann nicht in jeder Beziehung das werden und als solcher gelten, indem er Christi Leben nachahmt? ... ‚So sei es denn unser höchstes Bestreben, das Leben Christi zu betrachten’.“

Heilige Pius X, Hærent Animo, 1908

 

 


„Vom heiligen Priestertum“

Diese Lehre wird noch vom Zweiten Vatikanischen Konzil bestätigt: „Darum setzt das Priestertum der Amtspriester zwar die christlichen Grundsakramente[1 ] voraus, wird aber durch ein eigenes Sakrament übertragen. Dieses bezeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Prägemal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so dass sie in der Person des Hauptes Christus[2 ] handeln können.“[3 ] Dasselbe Konzil jedoch preist in seiner Konstitution über die Kirche[4 ] ein allgemeines Priestertum aller Getauften; dieser Ausdruck hat einen protestantischen Beigeschmack und erlaubt schon für sich, die vorher erwähnte Wahrheit vergessen zu machen und sich dem Irrtum anzuschließen. Marcel Lefebvre missbilligt diese Doppeldeutigkeit. Sicherlich lehrt der hl. Thomas von Aquin, dass die drei sakramentalen Charaktere der Taufe, der Firmung und der Weihe Teilhabe am Priestertum Christi sind[5 ], aber er hütet sich, zu sagen, der Getaufte oder Gefirmte empfange ein „Priestertum“. Das „allgemeine Priestertum“ ist lediglich ein Priestertum in einem bildlichen Sinne, und in diesem Sinne spricht der hl. Petrus (1 Pet. 2, 5–9) von einem „heiligen Priestertum“, welches geistige Opfer darbringt. Wenn es stimmt, dass die einfachen Christen durch ihre Eigenschaft als Getaufte aufgefordert sind, sich in der Messe aufzuopfern und sich mit ihr zu vereinen, dann bedeutet das nicht, dass sie geweihte Priester wären.

 


 

 

„Was die Kirche braucht und was die Gläubigen erwarten, das sind die Priester Gottes, diese Priester, die in ihrer ganzen Person, in ihrer ganzen Haltung, in ihrer ganzen Lebensweise und allen ihren Worten Gott offenbaren.“

Erzbischof Marcel Lefebvre,
Ecône am 29. Juni 1975

 


 

  • 1Die Taufe, deren Charakter den Empfang der anderen Sakramente ermöglicht.
  • 2„Von seiner Fülle haben wir ja alle empfangen“ (Joh. 1, 16).
  • 3II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester, „Presbyterium Ordinis“, 2, 3.
  • 4II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, 10, 1.
  • 5Hl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, III, q. 63, a. 2.

Die Wandlung

Da er wesenhaft Christus, dem Hohepriester, gleichförmig geworden ist, hat allein der Priester die Gewalt bekommen, in der Messe die Wandlung des Brotes in den Leib Christi und des Weines in das Blut Christi zu vollziehen. Indem er die Worte Christi beim Letzten Abendmahl wiederholt, handelt er in persona Christi als sein bevorzugtes Werkzeug. Er vergegenwärtigt wirklich und substantiell den Leib und das Blut Jesu Christi in den Gestalten – oder Erscheinungsformen – von Brot und Wein. Diese einzigartige Gewalt wurde weder der Jungfrau Maria noch den Engeln gegeben.

Zu dieser Gewalt über den eucharistischen Leib Jesu Christi kommt beim Priester eine Gewalt über den mystischen Leib Christi, über die Glieder des gläubigen Volkes: die Gewalt, zu heiligen und Seelen zu retten. Der zum Priestertum berufene junge Mann kann mehr vom Ruf des Altares oder vom Ruf der Seelen angezogen werden, aber das eine geht nicht ohne das andere. Um einen gängigen Irrtum zu zerstreuen, definierte Erzbischof Lefebvre die priesterliche Berufung folgendermaßen: „Die Berufung ist nicht ein wundersamer oder außerordentlicher Ruf, sondern das Heranreifen einer christlichen Seele, die sich mit einer ganz ausschließlichen Liebe an ihren Schöpfer und Retter Jesus Christus bindet und sein Sehnen teilt, Seelen zu retten.“[6 ]

  • 6in Albano geschriebener Brief vom 17. Oktober 1983