Die Ausstrahlung eines Vorgesetzten

In Gabun nimmt er sich mit Feingefühl der Eingeborenen an, er macht das Beste aus den eingeborenen Seminaristen, er ist „fest in seinen Ideen, bei seinen Schülern sehr beliebt."

Sein Stellvertreter beschreibt ihn als „fest, maßvoll, sehr persönlich in seinen Einschätzungen und seinen Entscheidungen, bemerkenswert, was Organisation und materielle Ausstattung anbetrifft“[1]. Im Busch ist er der gute Pater. Aber Vorsicht! „Wenn er nein sagen muß, dann ist es auch ein Nein“.

Ein liebevoller und beliebter Vater

In Mortain fehlt nach dem Krieg so gut wie alles. „Der ganz ausgezeichnete familiäre Geist, den er dort pflegt, kommt aus der Leichtigkeit, mit welcher er die materiellen Probleme meistert“[2]: Unterkunft (die leeren Fensterrahmen müssen verglast werden, Decken müssen gefunden und beschafft werden, ebenso Tische und Waschbecken), Nahrung (jeden Morgen fährt er mit seinem Kleinlaster über die Dörfer zu den Bauern): „Er krempelte die Ärmel auf“, sagte ein Ehemaliger, „man spürte, daß er sich um uns kümmerte und daß er uns liebte.“

Ein sehr menschlicher Vorgesetzter

In Mortain herrscht zwischen dem Leiter und seinen Schülern eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens, welche Mitbrüder, die zu Besuch kommen, überrascht, ebenso wie der große Anteil an Initiativen, die diese Atmosphäre den Schülern zu gewähren erlaubt: das sind die Früchte eines „sehr menschlichen Wahrnehmens der Leitungsfunktion“. Er ist ebenso fest, wie er menschlich ist, wenn die liberalen Vorstellungen oder die demokratischen Illusionen seiner Studenten korrigiert werden müssen.

In Dakar ist er „der Mann mit dem ruhigen Lächeln und der unendlichen Freundlichkeit“, mit tiefem Respekt vor den Menschen und den Entscheidungen und Initiativen anderer, es geht jedoch darum, mit Festigkeit und kompromisslos zu handeln, wenn Grundsätzliches auf dem Spiel steht.

Dieser Mann war wie ein Paradoxon: er war von einer Freundlichkeit, von einer Barmherzigkeit... Er musste zwei Mitbrüder nach Frankreich zurückschicken, rief aber schließlich einen von ihnen zurück. Ich sagte mir: Nun gut, er ist eben viel strenger, wenn es um Rubriken geht, als wenn es um einen Menschen geht![3]

Außerdem ist er ein Organisator ohnegleichen. Er hat einen Sinn für das, was wichtig ist, er weiß seine Ziele in einer klaren Ordnung und Reihenfolge zu erreichen und gute Investitionen für beste Ergebnisse zu erkennen und dabei die verfügbaren Mittel im Auge zu behalten, ohne wirklich Wesentliches zu vernachlässigen. Er weiss genau, wie eine neue Mission zu gründen ist:

Meter um Meter“, erinnert sich ein Missionar, „schritt er das Gelände mit den Füßen, mit den Beinen ab. Er wußte, daß man soundso viel Meter für ein Pfarrhaus braucht, wieviel Platz für die Kirche nötig ist, welche Entfernung die Schule haben soll, weiter entfernt die Schwestern und vieles andere; und ich, ich schaute ihn mir an... Man spürte, daß er diese Gründung längst vorbedacht hatte und dass sie so errichtet werden musste, wie sie in seinem Kopf schon entstanden war.[4]

Ein ausgefeiltes politisches Denken

Ein Aktiver der Cité Catholique in Dakar sieht in Erzbischof Lefebvre „eine weit über dem Niveau eines normalen Klerikers liegende Intelligenz und einen Mann, der die politische Welt sehr wohl beobachtet“. Der Prälat ist mit dem konterrevolutionären politischen Denken, das eher ein von Léon de Poncins, Jacques Ploncard d'Assac oder auch Jean Madiran entwickeltes katholisches Denken ist, gut vertraut. Jean Madirans Zeitschrift „Itinéraires“ hat er abonniert.

Als überzeugter Freimaurer erkennt der Generalgouverneur der AOF an:

Erzbischof Lefebvre ist der intelligenteste Mensch, den ich je in Afrika getroffen habe. Wenn er mich besuchen kommt, achte ich sehr darauf, was ich ihm sage, und ich höre sehr aufmerksam auf das, was er mir anvertraut.[5]

 


 

„Schließlich besteht die dritte Aufgabe des Priesters darin, die Seelen zu leiten, das heißt alle Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, ihren Eintritt in den Himmel zu begünstigen. Seine Aufgabe ist es, die Seelen zu retten, um das zu erreichen, muss man sie führen, ihnen den Weg zeigen. Unser Herr hat gesagt, dass er der Weg ist: ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben’.“

Erzbischof Marcel Lefebvre, Zaitzkofen am 13. März 1982



 


 

Eine stattliche und distinguierte Erscheinung

Der Generalobere der Spiritaner wird von dem Historiker seiner Kongregation so beschrieben:

Groß und von stattlicher Erscheinung, das Gesicht strahlt Interesse und Güte aus; wenn er erscheint, macht er sofort einen tiefen Eindruck; er hat eine ganz besondere Ausstrahlung, eine Art Magnetismus, etwas, das mehr ist als nur Charme; er hat immer diese vornehme Ausstrahlung, diese unwiderstehliche, ganz persönliche Kraft.

Gespür für Ereignisse und Möglichkeiten

Einer seiner Mitarbeiter bezeugt:

Welch ein Vorgesetzter ist er doch! Güte, Sorgsamkeit, Zuhören-Können, Aufrichtigkeit. Es ist ein Glück, mit ihm zu arbeiten. Wenn er sich einer Sache annimmt, ist die Lösung immer einfach. Er verliert sich nicht in Einzelheiten, und wenn man ihn wieder verläßt, geht man immer mit einem Wort der Ermutigung.

Ein anderer Spiritaner führt das noch genauer aus:

Er konnte seine Gedanken klar ausdrücken, man hatte den Eindruck, daß er sowohl die konkreten Dinge wie auch die Dinge in seinem Kopf sehr wohl geordnet und immer bereit hatte, wie verschiedene Projekte, die auch ganz augenscheinlich widersprüchlich sein konnten, aber bereit, ausgeführt zu werden in dem Sinne, wie sein Gefühl für die Ereignisse und seine Fähigkeit, die zu ergreifende Gelegenheit wahrzunehmen, es verlangten.

Eiserne Hand im Samthandschuh

„Man nennt ihn ‚die eiserne Hand in einem Samthandschuh‘. Er gibt niemals auf. Er hat sich eine bestimmte Sache vorgenommen, und dann beginnt er die Ausführung.“ Er befiehlt, aber es hat eben nicht den Anschein. Er hat die volle Autorität, aber diese Autorität ist nicht erdrückend. Er ist für die Vorschläge seiner Missionare offen, und er unterstützt sie[]. Wenn er seine Gründe nicht erklärt, wiederholt er den Befehl ganz ruhig, und man kann nicht anders als gehorchen. Dieses Fingerspitzengefühl bei der Führung ist sehr wirkungsvoll. Dazu kommt, daß er Vertrauen hat, das ist seine Devise.

  • 1P. Marziac von Pater Augustin Berger CSSp gewährtes Gespräch, ebd., S. 113 u. 115.
  • 2Erinnerungen von P. André Buttet CSSP, Montana, ebd., S. 165 f.
  • 3Gespräch mit Pater Fernand Bussard CSSp, Vevey, ebd., S. 204 f.
  • 4Gespräch mit P. Charbel Gravrand in Aiguebelle, ebd., S. 188
  • 5Gespräch mit Gérard Dubuis-Burthe, ebd., S. 248.